Seit dem 2. Dezember 2022 ist es nun amtlich, jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet seine Arbeitszeiten zu erfassen. Das Urteil kommt letztendlich nicht überraschend, denn schon im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Arbeitszeiterfassung in den Mitgliedsstaaten der EU durch ein objektives, verlässliches und zugängliches System erfolgen muss. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verkündete im September 2022 einen Grundsatzbeschluss zur Pflicht aller Arbeitgebenden zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Und nun der Paukenschlag, die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BAG zur verpflichteten Arbeitszeiterfassung – eine Umschreibung der Stechuhr, von der wir glaubten, dass sie ein Relikt der Vergangenheit ist. Die Stechuhr ist noch heute ein Begriff mit negativen Assoziationen, denn eingeführt im Zeitalter der Industrialisierung, symbolisierte sie Arbeitsüberwachungs-Regiment des Kapitalismus. Soviel zur Historie, doch schauen wir uns einmal um, haben wir nicht immer noch eine Stechuhr in unserem Arbeitsalltag? Wir gehen ins Büro mit digitalen Zugangskarten, loggen uns am PC ein, bezahlen in der Kantine mit der Karte und am Ende eines Arbeitstags erfolgt die Prozedur rückwärts. Unterschied ist, dass heute das „Stechen“ kein Ritual im Arbeitsprozess ist, sondern auf subtile Art abläuft.
EuGH und BAG beschäftigten sich schon lange mit der der Thematik der Beschäftigungszeiten und dem Schutz der Arbeitnehmenden. Denn es zeigte sich, dass ohne eine Messung der Arbeitszeit oftmals mehr als gefordert gearbeitet wird und die daraus resultierenden Belastungen der Arbeitnehmenden zeigen schon heute die alarmierenden Auswirkungen in den Unternehmen. Der sorgfältige Umgang mit der menschlichen Arbeitskraft wird durch dieses neue Gesetz nun in den Vordergrund gestellt. Denn die Erfassung der Arbeitszeiten sorgt für mehr Arbeitsschutz und dämmt die ausufernden Arbeitszeiten, ein Trend der sich schleichend aber dennoch stetig in der Arbeitswelt manifestierte, ein. In vielen Bereichen gehört die Zeiterfassung zum Alltag, doch eine große Anzahl der rund 45 Millionen Beschäftigte in Deutschland arbeiten nach dem Vertrauensarbeitszeitmodell, eine Errungenschaft, die modernes, flexibles Arbeiten ermöglicht. Mit dem neuen Gesetz ist klar definiert, dass das Vertrauen in die Arbeit jedes einzelnen bleibt, genauso wie die Flexibilität der Leistungserbringung, ergänzt wird das Vertrauen nur durch die Dokumentation der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Doch wie wird das nun realisiert? Die Arbeitgebenden können die Erfassung der Arbeitszeit delegieren, sind jedoch verpflichtet, ein geeignetes System den Arbeitnehmenden zur Verfügung zu stellen. Dies kann sowohl in Papierform als auch online sein und muss Anfang-, End- und Pausenzeiten erfassen. Wichtig ist, dass die gewählte Lösung revisionssicher und für die Mitarbeitenden praktikabel ist.
Für unsere europäischen Nachbarn stellt die Zeiterfassung keine große Veränderung dar, denn sie ist fest in den Arbeitsprozess integriert. Im europäischen Durchschnitt ist die Zeiterfassung bei 69% der Unternehmen verpflichtend. Deutschland nimmt mit 49% den vorletzten Platz ein, was eine Umfrage von 2019 ermittelte. Doch die Arbeitszeiterfassung, insbesondere in digitaler Form, ist längst bei uns etabliert und birgt neben der gesetzlichen Forderung vielfältige Vorteile. Integriert in eine homogene Unternehmenslandschaft, verschlanken moderne Softwarelösungen zur digitalen Zeiterfassung das Abwesenheitsmanagement, sorgen für Transparenz über alle Mitarbeitergruppen und ermöglichen ein faires und direktes Lohnabrechnungsmanagement. Ergänzende Funktionen wie beispielsweise flexible Genehmigungsverfahren, Benutzergruppen-spezifische Vorlagen, konfigurierbare Unternehmensregelungen des Zeitmanagements oder Monitoring der Compliance bewirken eine Reduzierung der administrativen Tätigkeiten und somit eine Reduzierung der Kosten. Ein Umdenken und Aufbrechen verkrusteter Strukturen im Human Capital Management birgt für Unternehmen die Chance, neue Wege für eine attraktive und von Sorgfaltspflicht geprägte Arbeitswelt zu schaffen.
Die Arbeitszeiterfassung ist ein Kontrollinstrument, das steht außer Frage. Jedoch, und das ist der gravierende Unterschied zu der Nutzung in der Vergangenheit, zum Schutz der Arbeitnehmenden. Integriert in holistische Lösungskonzepte sorgt eine digitalisierte Lösung für mehr Transparenz, Sicherheit des Einzelnen und Wirtschaftlichkeit der Unternehmen – eine Win-win-Situation für alle.
Autor: Sabine Rudolf
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